Welches sind die Aufgaben des Handels?
Die in der Überbrückung der Divergenzen zwischen Produktion und Bedarf bestehende Gesamtaufgabe des Handels umfasst eine Reihe von Teilaufgaben:
1. Die Raumüberbrückung. Der Handel stellt die Verbindung zwischen den räumlich getrennten Produzenten und Abnehmern her, indem er die Ware vom Ort der Erzeugung an den Ort des Bedarfes schafft. Auch wenn der Warentransport heute kaum mehr vom Handel selber ausgeführt wird, so muss er doch von ihm veranlasst werden.
2. Die Zeitüberbrückung durch Vordisposition und Lagerhaltung. Auch in Bezug auf den zeitlichen Ablauf verhalten sich Produktion und Bedarf oft gegensätzlich. Bei einer grossen Zahl von Welthandelsgütern, vor allem bei Ernteerzeugnissen, vollzieht sich die Produktion massenweise, auf einen kurzen Zeitraum zusammengedrängt. Der Konsum dagegen verteilt sich gleichmässig auf das ganze Jahr. Der Handel überbrückt diese zeitliche Spannung zwischen Produktion und Konsumtion durch die Lagerhaltung. Er sichert damit der Produktion einen raschen Absatz und der Konsumtion eine ununterbrochene Versorgung. Bei den industriellen Erzeugnissen liegen Verhältnisse vielfach umgekehrt. Die Produktion ist aus Kostengründen auf eine möglichst gleichmässige Beschäftigung angewiesen, während die Konsumtion saisonbedingte Schwankungen aufweist. In diesen Fällen erfüllt der Handel die Funktion der Zeitüberbrückung durch Vordisposition. Der Handel ermittelt im voraus Art und Grösse des Bedarfes. Lange bevor die Nachfrage der Konsumtion einsetzt, erteilt der Handel seine Aufträge und ermöglicht durch diese Vordisposition dem Produzenten, unter Ausnützung der Vorteile eines gleichmässigen Beschäftigungsgrades, zu arbeiten. Am Ort und zur Zeit der Produktion haben die Güter des grossen Angebotes wegen einen geringeren Wert. Am Ort und zur Zeit des Bedarfes ist ihr Wert infolge der stärkeren Nachfrage höher. Mit der Raum- und Zeitüberbrückung schafft der Handel einen Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage und wirkt damit preisausgleichend. Durch den Preisausgleich ermöglicht der Handel dem Produzenten einen lohnenden Absatz seiner Erzeugnisse, dem Konsumenten eine preiswürdige Bedarfsdeckung. Raum- und Zeitüberbrückung als selbständige Handelsaufgabe haben durch die Entwicklung der Transport- und Nachrichtentechnik an Bedeutung verloren. Erst die Verbindung der Raum- und Zeitüberbrückung mit dem Mengenausgleich und mit der Sortimentsbildung gibt dem selbständigen Handel das besondere Gepräge und die Existenzberechtigung.
3. Der Mengenausgleich zwischen Produktion und Bedarf, durch die Zusammenfassung kleinerer Produktionsmengen zu grösseren Bedarfsmengen oder, was häufiger zutrifft, durch Aufteilung grosser Produktionseinheiten in kleinere Bedarfsmengen. Dabei übernimmt der Handel auch die Überbrückung in Bezug auf die Anzahl der Betriebe, die sich auf irgendeiner Stufe des langen Weges vom Naturstoff bis zum letzten Verbrauch oft in einem sehr ungleichmässigen Zahlenverhältnis als Partner gegenüberstehen. Die Notwendigkeit eines solchen Ausgleichs zwischen Produktion und Bedarf durch den Handel ist aber auch dann gegeben, wenn in Bezug auf die Anzahl der Betriebe, die sich auf einer gewissen Produktionsstufe als Anbietende und Nachfrager gegenüberstehen keine großen Divergenzen bestehen. Selbst in diesem Falle ist es nicht einfach so, dass sich irgendein Handelsbetrieb zwischen „zwei” Produktionsbetriebe einschaltet. Denn die Spezialisierung der Produktion und die Differenzierung des Produktionsbedarfs bringen es mit sich, dass selbst bei gleicher Betriebszahl auf der Angebots- und Nachfrageseite nicht einfach ein Anbietender einem Nachfragenden gegenübersteht, sondern dass es jeder der Anbietenden mit einer grösseren Zahl von Abnehmern und jeder Abnehmer mit einer grösseren Zahl von Anbietern zu tun hat.
4. Die Sortimenfsaufgabe. Das Fabrikationsprogramm eines Produktionsbetriebes ist einseitig nach dem Rohstoff oder nach dem Fabrikationsverfahren orientiert und überdies mit Rücksicht auf die rationelle Massenfertigung stark spezialisiert. Die Abnehmer dagegen, seien es die weiterverarbeitenden Betriebe oder die Verbraucher, stellen ihre Ansprüche unter den ganz anders gearteten Bedarfsgesichtspunkten. Die Sortimentsfunktion des Handels besteht nun darin, dass er aus den Fabrikationsprogrammen verschiedener Produzenten ein nach den Bedarfszwecken ausgerichtetes Sortiment zusammenstellt. Damit wird dem Produzenten der Absatz seiner einseitig spezialisierten Produktion gesichert, und der Verwender hat die Möglichkeit, im Sortiment des Händlers für eine bestimmte Bedarfsart oder Bedarfsgruppe die gewünschte Sorten- und Qualitätsauswahl zu finden. Eine Sortimentsfunktion liegt also dann vor, wenn in der Bereitstellung der Waren für den Gebrauch oder Verbrauch eine Umgruppierung und Umordnung nach Bedarfszwecken und Bedarfsgruppen vorgenommen wird.