Welches sind die Hauptformen des Import- und Binnengrosshandels?
In der Vielgestaltigkeit der Organisationsformen des Grosshandels lassen sich im wesentlichen zwei Hauptgruppen unterscheiden: Der Spezialgrosshandel und der Sortimentsgrosshandel.
1. Der Spezialgrosshandel umfasst diejenigen Grosshandelsunternehmungen, die nur eine Warenart oder Warengruppe fuhren und sie von einigen wenigen, meist grossen Werken beziehen. Das Warensortiment ist eng begrenzt und eindeutig von der Einkaufsseite, also von der Produktion her, bestimmt. Das geht vielfach schon aus der Benennung hervor: Stahlgrosshandel, Kohlengrosshandel, Papiergrosshandel, Ledergrosshandel usw. Aus der Spezialisierung auf eine Ware oder Warengruppe und aus der Beschränkung auf wenige Lieferanten ergibt sich, dass Spezialgrosshandelsunternehmen in erster Linie als Verkaufsorgane ihrer Lieferanten wirken. Das Tätigkeitsfeld des Spezialgrosshandels liegt vorwiegend am Anfang des Wirtschaftsprozesses, auf den ersten Stufen des Wirtschaftsablaufes, wo es darum geht, die Massenproduktion von Roh- und Hilfsstoffen einem weit verzweigten Absatzmarkte zuzuführen. Auch die in einheitlichen, grossen Mengen hergestellten Industrieprodukte, die als Ausgangsstoffe für eine grosse Zahl weiterverarbeitender Betriebe dienen, sind Gegenstand des Spezialgrosshandels. Die blosse Weitergabe der Aufträge von Großabnehmern an das Lieferwerk würde die Existenz eines selbständigen Spezialgrosshandels nicht rechtfertigen, weil in diesen Fällen sowohl die Hersteller als auch die Abnehmer von Grossposten den direkten Verkehr, unter Umgehung des Spezialgrosshandels, vorziehen würden. In der Regel verdient sich der Spezialgrosshandel seine Existenzberechtigung erst durch die Lagerhaltung, mit der er den Verwendern den Vorteil einer stetigen und sofortigen Lieferbereitschaft bietet und überdies dem Lieferwerk die Kosten und die Arbeit der Ausführung vieler Kleinaufträge erspart. „Wie sehr zum Beispiel die Papierindustrie auf den lagerhaltenden Grosshandel als Verkaufsorgan angewiesen ist, ergibt sich allein aus der Tatsache, dass Papier in lohnender Weise nur in grossen Posten oder Losen und im Rahmen eines über Wochen laufenden Sortenprogramms hergestellt werden kann − ähnlich übrigens wie bei den Walzwerken. Auf der anderen Seite sind die Bedarfsmengen der Papierverarbeiter je Sorte Papier zumeist verhältnismässig klein, und der Ausgleich zwischen den Produktionseinheiten und den Bedarfseinheiten kann nur durch Lagerbildung geschaffen werden. Eine Lagerhaltung bei der Papierfabrik wäre aber im allgemeinen viel zu riskant, weil das Sortiment der einzelnen Fabrik im allgemeinen viel zu speziell und der Bedarf auf der anderen Seite sehr individuell und wechselnd ist. Beim Papiergrosshandel dagegen treffen die Erzeugnisse der verschiedenen Fabriken zusammen, und es entsteht ein Lagersortiment, das jedem wichtigen Sofortbedarf nach Qualität und Menge gerecht zu werden vermag und das daher im ganzen auch weniger risikobelastet ist. Die einzelne Papiergrosshandlung richtet sich dabei in ihrer Sortimentspolitik möglichst auf die Bedürfnisse der von ihr besonders betreuten Verwender ein, je nachdem ob sie vorwiegend Druckereien, Buchbindereien, Papierwarenhersteller oder den Papierhandel der weiteren Stufen beliefert.“Wenn, wie dies im zitierten Beispiel ausgeführt ist, der Grosshandel sein Warensortiment sehr stark bedarfsorientiert gestaltet und damit den Lieferantenkreis entsprechend ausweitet, so liegt nicht mehr reiner Spezialgrosshandel vor, sondern bereits eine starke Annäherung an den Sortimentsgrosshandel.
2. Der Sortimentsgrosshandel. Während das Sortiment des Spezialgrosshandels durch das streng spezialisierte Fabrikationsprogramm einiger weniger Produktionsbetriebe bestimmt und dementsprechend eng begrenzt wird, stützt sich die Sortimentspolitik des Sortimentsgrosshandels auf eine ganze Bedarfsgruppe. Bei der starken Differenzierung des Bedarfes umfasst eine einzige Bedarfsgruppe eine Vielzahl der verschiedensten Waren, so dass der Sortimentsgrosshandel vor allem durch die Reichhaltigkeit seines Sortiments gekennzeichnet wird. Dementsprechend ist auch der Lieferantenkreis bedeutend grösser als beim Spezialgrosshandel. Das Sortimentsgrosshandelsunternehmen wirkt eindeutig als Einkaufsorgan seiner Abnehmer, und seine Existenzberechtigung beruht weitgehend auf der vollkommenen Lieferbereitschaft für alle organisch dem Sortiment zugehörigen Waren. Der Sortimentsgrossist ist denn auch vor allem für jene Zweige des Detailhandels unentbehrlich, deren Sortimente sich aus zahlreichen Waren der verschiedensten Herkunft zusammensetzen und die meist nur in geringfügigen Mengen benötigt werden. Die Ausrichtung des Sortiments auf eine Bedarfsgruppe äussert sich auch in der Bezeichnung dieser Unternehmungen: Lebensmittelgrosshandel, pharmazeutischer Grosshandel usw. Die Ausrichtung des Sortiments auf eine bestimmte Bedarfsart bringt es mit sich, dass der Sortimentsgrosshandel sein Hauptbetätigungsfeld vorwiegend in der Versorgung des Detailhandels, im wesentlichen also am Schlüsse des gesamten Wirtschaftsprozesses, findet. Der grosse Lieferantenkreis ergibt sich aus der Notwendigkeit, das bedarfsorientierte, vielgestaltige Sortiment aus den zahlreichen Fabrikationsprogrammen eng spezialisierter Produktionsbetriebe und aus den produktionsorientierten Sortimenten des Spezialgrosshandels zusammenzustellen. Die Existenzberechtigung des selbständigen Sortimentsgrosshandels stützt sich auf die wirtschaftlichen Leistungen gegenüber den Abnehmern und Lieferanten. Durch die Möglichkeit, sich beim Sortimentsgrosshandel für die gesamte Bedarfsgruppe jederzeit vollständig eindecken zu können, werden dem Abnehmer Kosten und Risiken der Lagerhaltung weitgehend erspart; der Detailhandel kann sich je nach Geschäftsgang und in beliebig kleinen Posten eindecken. Die Dienstleistung gegenüber dem Produzenten besteht darin, dass der Sortimentsgrosshandel durch seine Vordisposition die von seiner Detailhandelskundschaft zu erwartenden vielen Kleinaufträge schon lange vor Ihrem Eintreffen zu geschlossenen Grossaufträgen zusammenfasst und an die Produzenten weiterleitet, so dass diese ein Produktionsprogramm in grösseren Serien und auf längere Sicht, also rationell durchführen können, ohne das Risiko der eigenen Lagerhaltung auf sich nehmen zu müssen. Die Produktion strebt nach Herstellung weniger Warensorten in grossen Serien und nach gleichmässiger Beschäftigung; der in den Anforderungen des Detailhandels zum Ausdruck kommende Bedarf ist durch seine Mannigfaltigkeit und starken saisonbedingten Schwankungen gekennzeichnet. Die wirtschaftliche Leistung des Sortimentsgrosshandels beruht nun darauf, dass er durch seine Vordisposition und Lagerhaltung den Ausgleich zwischen den sich gegensätzlich verhaltenden Anforderungen der Produktion und des Bedarfes schafft.